In Nikis Worten

Dank des mittelalterlich geschulten Blickes von JeanTinguely und Doc Winsen gelang die Vergrösserung meiner Modelle in perfekter Weise. Alle Armierungen der Monumentalskulpturen wurden durch die Muskelkraft der Arbeitsequipe aus Eisenstücken geformt und zusammengeschweisst. Das erste Team, das im Garten arbeitete, bestand aus Jean Tinguely, Rico Weber und Seppi Imhof. Sie bauten die Sphinx, die Hohepriesterin und den Magier. Der Hohepriester wurde von Doc Winsen begonnen und von Jean Tinguely abgeschlossen; er war Jeans Lieblingsskulptur.

Die zweite Gartenhälfte – das Schloss des Kaisers, die Sonne, die Stärke und der Hängende – wurde von Doc Winsen geschweisst, einem holländischen Künstler, dem Tonino Urtis zur Seite stand. Schon bald ernannte ich Tonino zum Chef der Equipe, obwohl er keine Erfahrung im Schweissen besass, da er eigentlich Elektriker war. In meinen Entscheidungen liess ich mich stets von meiner Intuition leiten, und häufig fiel die Wahl gerade deswegen glücklich aus.

Ugo, der Briefträger, war der erste, der für mich gearbeitet hatte. Er begann mit dem Bau der Wege und diente sich allmählich hoch. So versah er die Eisenkonstruktionen mit dem Drahtgitter, auf das der Zement gespritzt wurde. Später fragte er mich, ob er die Spiegel- und Keramikstückchen auf die Skulpturen setzen dürfe. Ugo wurde zu einem wahren Spiegelpoeten. Ständig befürchtet er, es gäbe keine Arbeit mehr für ihn. Ich legte das feierliche Versprechen ab, dass es jedes Jahr etwas Neues zu tun gäbe, und dass ich, sollte mir nichts mehr einfallen, eine Chinesische Mauer um den Garten errichtete, die zu vollenden mehrere Generationen in Anspruch nähme.

Nach Fertigstellung der Armierungen und des Eisengeflechts waren die Skulpturen bereit für das Aufspritzen des Zements, der ihnen ein melancholisches und trauriges Aussehen gab. Mein Ziel war jedoch die Einrichtung eines Lustgartens. Marco Iacotonio, ein schöner, aber auch schwieriger junger Mann, stiess zu uns, um dem Zement den nötigen Finish zu geben. Er war stets aufgeschlossen für die Magie des Tarot, und ich glaube, dass ihm seine Identifizierung mit dem Garten bei der Lösung vieler Probleme behilflich war.

Ich hatte Ricardo Menon, meinen persönlichen Assistenten, Mitarbeiter und Freund, der mit mir aus Paris gekommen war, gebeten, einen Töpfer zu finden. Einige Tage später stellte mir Ricardo, ein wahrer Zauberer, Venera Finocchiaro vor. Sie sollte die Töpferin des Gartens werden, in dessen Welt sie völlig eintauchte. Sie lebte im Garten und entsprach meiner Bitte, neuartige Dinge zu schaffen, die es zuvor in der Keramik noch nicht gegeben hatte. Ihre herrlichen Arbeiten sprechen für sich selbst. Sie hatte mehrere Assistentinnen, darunter Paola, Patrizia und Gemma. Manchmal arbeitete die ganze Equipe am Töpferofen. Nachdem uns Venera wieder verlassen hatte, führte die Equipe die Töpferarbeiten fort.

Das 20. Jahrhundert war vergessen. Wir arbeiteten wie die alten Ägypter. Die Keramiken wurden zum grössten Teil direkt auf den Skulpturen geformt und nach dem Trocknen entfernt, um im Ofen bis zu dreimal gebrannt zu werden. Anschliessend wurden sie wieder auf die Skulpturen gesetzt. Da dietöpferwaren im Brand 10% ihres Umfanges verloren, beschloss ich, den Raum um sie mit von Hand geschnittenen Glas-stücken aufzufüllen. Diese Arbeit führten verschiedene Helfer aus, darunter Marco Iacotonio,Tonino Urtis, Ugo Celletti und Claudio Celletti.

Die kleineren Stücke des Gartens fertigte ich in Paris mit Hilfe meines Assistenten Marcelo Zitelli an. Anschliessend wurden sie von Robert Haligon und seinen Söhnen Gérard und Olivier in Polyester gegossen. Zu den von ihnen hergestellten Werken gehören die Mässigkeit, Adam und Eva (die Wahl), die Welt, der Eremit, das Orakel, der Tod und der Hängende. Später wurden diese Skulpturen mit Glasmosaik aus Murano, der Tschechoslowakei und Frankreich verkleidet.

Pierre Marie Le Jeune, der mit mir die Skulpturen des Strawinsky-Brunnens in Paris bemalt hatte, verliebte sich in den Tarot-Garten, den er alljährlich wieder aufsuchte. Zu seiner Spezialität wurde das innovative Schneiden von Spiegelstücken. Gemeinsam mit seiner Frau Isabelle schuf Pierre Marie das Glasmosaik für den Teufel, die Welt, den Tod, den Eremiten und das Orakel.

Die administrative Arbeit wurde von Gigi Pegoraro und Paola Aureli erledigt. Der gute Ritter des Tarot-Gartens war Jean Gabriel Mitterand, der jedesmal herbeieilte, wenn er bei der Lösung eines Problems mithelfen konnte. In den letzten Jahren arbeiteten vor allem Tonino Urtis, Ugo Celletti, Marco Iacotonio und Claudio Celletti im Garten. Von derselben Begeisterung getragen, sind wir zu einer echten Familie geworden. Vor kurzem stiess Gian Piero Ottavi zu unserer Equipe. Er kümmert sich um die Blumen und Bäume des Gartens. Mir schien es am besten, das natürliche Umfeld der Region, eine Art Maquis, zu wahren. Der Dialog zwischen der Natur und den Skulpturen ist ein wichtiges Element des Gartens.

Mehrere Künstlerinnen und Künstler sind mit besonderen Arbeiten im Garten vertreten: Alan Davie malte im Kopf des Magiers einen magischen Raum; Pierre Marie Le Jeune schuf die Keramikbänke, die in die Felsen um den Brunnen integriert sind und auf denen sich die Besucher gerne ausruhen. Von ihm sind auch die Stühle in der Sphinx und die Dekoration der Boutique. Marina Karella führte die Skulptur der Priesterin aus, die in der Hohepriesterin steht. Jean Tinguely baute die Maschine, die den in den Turm von Babel einschlagenden Blitz darstellt, den Brunnen mit dem Rad des Schicksals und die von ihm so genannte Figur der Ungerechtigkeit, die er mit einem grossen Vorhängeschloss in der Gerechtigkeit einsperrte; zudem schuf er gemeinsam mit mir die Skulptur der Welt. Jackie Matisse fertigte alchimistische Gläser für geweihtes Wasser an. Giulio Pietromarchi, dessen Photographien das vorliegende Buch illustrieren, war 16 Jahre alt, als ich ihn kennenlernte. Er war mein Nachbar. Kurz nach Baubeginn fing er an, den Garten zu photographieren, und er hat seither nicht mehr damit aufgehört.

Unzählige Leute waren mir beim Bau des Gartens behilflich, und allen bin ich zu grossem Dank verpflichtet; aus Platzgründen kann ich hier jedoch nur die wichtigsten und treuesten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nennen.

Image above from left to right: (Top) Pierre Maire Lejeune, Ugo Celletti, Marco Iacotonio, Tonino Urtis (Bottom) Claudio Celletti, Niki de Saint Phalle, and Gian Piero Ottavi with La Force. Photo: © Giulio Pietromarchi